GNZ-Freitagsgespräch mit der Frauenbeauftragten der Kreisverwaltung

  1. Nach Angaben des statistischen Landesamts verdienten Frauen im Schnitt ein Viertel weniger als Männer. Können Sie das so bestätigen?

    Das ist grundsätzlich so. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat die Sinus Sociovision GmbH aus Heidelberg beauftragt, eine Studie zu Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern zu erstellen. Das Institut hat festgestellt, dass zwar die besseren Bildungsmöglichkeiten von Mädchen und Frauen sowie ein von Emanzipation, Frauenbewegung und (Gleichstellungs-)Politik getriebener Einstellungs- und Rollenwandel hinsichtlich der beruflichen Leistung von Frauen stattgefunden hat, dass jedoch auch heute noch häufig weiblichen Qualifikationen einerseits und Berufsaussichten, tatsächliche berufliche Positionen und Einkommen anderseits auseinander klaffen. Dies ist u.a. auf fortwirkende Rollenzuschreibungen zurück zu führen, die sich nicht zuletzt darin niederschlagen, dass Frauen deutlich häufiger und länger als Männer ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt unterbrechen.
    Während Frauen nach der Geburt eines Kindes in der Regel die Erwerbstätigkeit reduzieren, steigen Männer auf der Karriere hoch.
    Der Frauenlohnspiegel 2008 verdeutlicht, dass Frauen im Alter bis zu 24 Jahren 7,8% weniger verdienen als ihre gleichaltrigen männlichen Kollegen, zwischen dem 25. und 34. Lebensjahr wächst die Differenz auf 17,5%, zwischen 35 und 55 Jahren liegen Frauen 22,2% hinter den Männern zurück. Am größten ist der Abstand in der Altersgruppe ab 55 Jahren mit 26,7%. (Quelle: WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung)
    Europaweit lag Deutschland 2006 bei den Entgeltunterschieden mit 22% auf Platz 24 von 27 (Quelle: Eurostat 2008).
    Die Sinus Sociovisions-Studie zeigt aber auch zum einen auf, dass zwei Drittel der Bevölkerung überzeugt sind, dass dieses Lohngefälle durch keinerlei objektive Gründe und Kriterien gerechtfertigt ist, zum anderen sind 92% der Bevölkerung der Meinung, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Arbeit selbstverständlich gleich bezahlt werden sollten.
    Außerdem sollte eine familienbewusste Personalpolitik auch die Männer im Blickpunkt haben, um ihnen eine aktive Vaterschaft und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern.

  2. Wo liegen in ihrem Arbeitsbereich die meisten frauenspezifischen Probleme?

    Die Antwort ist überwiegend aus der Beschreibung und Zielsetzung zu Frage 1) zu entnehmen, d.h. insbesondere in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

  3. Wie hoch ist der Frauenanteil in der Kreisverwaltung und wie viele Ihrer Kolleginnen sind in Führungspositionen zu finden?

    In der Kreisverwaltung waren am Stichtag (31.12. 07) 1233 Personen beschäftigt, davon 836 Frauen (67,80%) und 397 Männer (32,2%).
    Der Führungskräfteanteil betrug rund 30% Frauen und 70% Männer.

  4. Hat sich die Situation von Frauen in der Arbeitswelt in den vergangenen Jahren verändert? Wie?

    Die demografische Entwicklung und insb. der Fachkräftemangel hat zu einem Umdenken beigetragen, ebenso -wie aus Sicht des Frauenbüros -ein verstärktes gegenseitiges Verständnis von Gleichberechtigung in den Lebenspartnerschaften. So führt z.B. bei der Neuorientierung von Familie in Bezug auf das berufliche Lebensumfeld aus unserer Kenntnis dazu, dass qualifizierte Bewerber/innen in Vorstellungsgesprächen vermehrt nachfragen, welche Arbeitsmöglichkeiten auch die Partnerin/der Partner haben und wie die Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen aussieht. Das heißt in der Konsequenz für Unternehmen, auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht mehr für Familienfreundlichkeit in ihrem Unternehmen zu tun.
    Und der steigende Geburtenrückgang wird diese sich seit langem anbahnende Misere noch verstärken: Ein Ansporn für Unternehmen, die Ressourcen gut qualifizierter Frauen intensiver zu nutzen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Fokus der Unternehmenspolitik zu stellen!?
    Das Bündnis für Familie im Main-Kinzig-Kreis unter der Verantwortung des Kreisbeigeordneten Dr. Kavai hat deshalb im Frühjahr 2008 die Aktion „Familienfreundliche Betriebe im Main-Kinzig-Kreis“ gestartet. Familienfreundliche Betriebe sind ein bedeutender Bestandteil eines familienfreundlichen Kreises und geben oft den Ausschlag für die Wahl des Arbeits- und Wohnortes. Flexible Arbeitszeiten, Telearbeit, Unterstützung während der Elternzeit, beim Wiedereinstieg und bei der Betreuung von Kindern und Angehörigen sind nur einige Möglichkeiten, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.
    Ich bin davon überzeugt, dass sowohl die Beschäftigten als auch die Unternehmen von einer familienfreundlichen Unternehmens- und Personalpolitik profitieren, sie hat sich zwischenzeitlich zu einem wichtigen Wettbewerbs- und Standortfaktor entwickelt.

  5. Was wünschen Sie sich für die künftige Entwicklung?

    Für die meisten Eltern steht außer Frage, dass entweder Mutter oder Vater nach der Geburt für einige Zeit voll oder ganz zu Hause bleibt, um sich um das Kind oder die Kinder zu kümmern. Bei der Frage, wer in den ersten Monaten und Jahren diese Familienaufgabe wahrnimmt, spielt der finanzielle Aspekt eine große Rolle. So bleibt derjenige in der Regel im Berufsleben, der mehr verdient: In vielen Fällen ist dies der Mann. Aus diesem Mechanismus wird deutlich, dass und wie die ungleiche Entgeltung von Frauen und Männern die traditionelle Rollenverteilung und die Vorstellung vom „Ernährermodell“ weiter festigt.
    Eine Möglichkeit, dies zu durchbrechen, können –neben den bereits zu Frage 4) erläuterten familienfreundlichen Maßnahmen- das Elterngeld und die Partnermonate sein. Allerdings liegen hierzu noch keine repräsentativen Daten vor. Nach den Erkenntnissen des Statistischen Bundesamtes von 2007 gab es im Main-Kinzig-Kreis 2901 bewilligte Anträge zum Elterngeld, darunter Männer 295 (10,2%).
    85% der Bevölkerung meinen, dass mehr Männer Elternzeit nehmen würden, wenn Frauen besser bezahlt würden. Dem schließen wir uns an.
    Nach der Elternzeit und mehreren Jahren Erziehungsarbeit kehren Frauen häufig zunächst in Teilzeitbeschäftigungen ins Erwerbsleben zurück. In Deutschland sind 64% der Frauen berufstätig, nur 34% arbeiten jedoch in Vollzeit. Im Vergleich hierzu sind 82% der Männer berufstätig, davon 79% in Vollzeit. Und der Anteil der Vollzeit erwerbstätigen Frauen sinkt nach der Familiengründung drastisch: Nur 16% der Frauen mit Kindern unter 18 Jahren im Haushalt sind vollzeit berufstätig (Quelle: Gleichstellungsstudie 2007 von Sinus für das BMFSFJ).
    Dies hat spürbare Auswirkungen auf Rente, Renteneintritt und Altersarmut.
    Meine Kollegin Angelika Foltin-Alig und ich wünschen sich deshalb, dass es neben Entgeltgleichheit und einer Ausweitung von verlässlichen und flexiblen Möglichkeiten der Kinderbetreuung (sowohl von der Anzahl der Plätze in Kindertagesstätten und in der Tagesbetreuung als der Flexibilität der Angebote und erweiterter Öffnungszeiten) auch verstärkt Teilzeitangebote für betreuende Elternteile gibt, die durch flexible Arbeitszeitmodelle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
    In der Kreisverwaltung gibt es zahlreiche Arbeitszeitmodelle, die ihren Niederschlag in 319 Wochenplänen in der Arbeitszeiterfassung finden und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenso beitragen wie entsprechende familiengerechte Beurlaubungen.
    Durch das Hessische Gleichberechtigungsgesetz, das leider nur für die öffentlichen Arbeitgeber gilt, ist der rechtliche Rahmen zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen gegeben. Die Frauenbeauftragten haben hier die Funktion, die Umsetzung zu begleiten und zu überwachen.
    Zielführend im Sinne der genannten Ziele wäre aus meiner Sicht, entsprechende Regelungen auf alle Beschäftigungsbereiche und für alle Arbeitgeber festzuschreiben, wobei das im Jahr 2006 erlassene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union bereits eine Grundlage darstellen, auf der ein Schutz vor Diskriminierungen verwirklicht werden soll.





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